Leitzinserhöhung der SNB – was nun? by Philipp Schelbert
Die Schweizer Währungshüter erhöhten am 15. Dezember 2022 ihren Leitzins auf 1,0 Prozent. Ein Kommentar.
«Kann ich?» und «Will ich?» – Um eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen, müssen diese beiden Fragen mit «Ja» beantwortet werden können. Die Erhöhung des Leitzinses – des Zinssatzes, zu dem Geschäftsbanken Geld von der Schweizer Nationalbank (SNB) leihen oder bei dieser anlegen können – hat keine Auswirkung auf die erste Frage. Diese «Kann ich überhaupt?»-Frage wird unverändert durch den Regulator bestimmt, wonach die Banken die Tragbarkeit auf Basis eines kalkulatorischen Zinssatzes von 5 Prozent rechnen müssen. Ebenfalls hat die Leitzinserhöhung keinen Einfluss auf die theoretische Anzahl möglicher Käufer – diese Kohorte bleibt unverändert, da die Anzahl (vorerst) einzig durch die Tragbarkeitsregel begrenzt wird. Es gibt also nach wie vor eine grosse Zahl möglicher Käufer (von denen allerdings ein grosser Teil bereits Eigenheimbesitzer ist) für ein beschränktes Angebot an Wohneigentum.
Hingegen dürfte der Entscheid der Schweizer Nationalbank Auswirkungen auf die Frage «Will ich überhaupt?» haben. Kurzfristige Finanzierungen wie beispielsweise Saron-Hypotheken sind über Nacht um 0,5 Prozent teurer geworden und dürften mit grösster Wahrscheinlichkeit im Jahr 2023 weiter steigen – die SNB hat sehr prononciert auf diese Möglichkeit hingewiesen. Nichtsdestotrotz sind meiner Einschätzung nach Saron-Hypotheken über einen längeren Zeitraum betrachtet die klar attraktivste Finanzierungsform, vorausgesetzt man kann mit zwischenzeitlichen Schwankungen der Zinsbelastung umgehen. Aber auch am langen Ende der Zinskurve dürfte nach der erfolgten Entspannung im Herbst nun wieder etwas Gegenbewegung entstehen. Wenn auch deren Umfang nicht beziffert werden kann, so dürfte er aber aus heutiger Sicht doch eher gering sein. Gesamthaft betrachtet ist davon auszugehen, dass sich auch die Kosten für langfristige Hypotheken tendenziell erhöhen werden. Der Zinsanstieg dürfte sich deshalb auf die «Will ich?»-Frage auswirken, da höhere Zinsbelastungen unweigerlich mit einem Konsumverzicht einhergehen – ziemlich unsexy und für viele auch ein neues Phänomen.
Mieten oder kaufen?
Im Zuge der steigenden Finanzierungskosten ist die Miete nun plötzlich wieder attraktiver geworden. Allerdings dürfte der Druck auf die Mieten von modernen, qualitativ hochstehenden Mietwohnungen angesichts der grossen Nachfrage hoch bleiben. Dies infolge der unverändert starken Zuwanderung (+ ca. 80'000 Menschen im Jahr 2022 – ohne die Flüchtlinge aus der Ukraine) und bei einer vergleichsweise tiefen Neubautätigkeit mit einem Reinzugang von gut 40'000 Wohnungen pro Jahr. Eigentum wird also fallweise noch immer attraktiv sein.
Vor diesem Hintergrund ist meiner Meinung nach davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Eigentum grundsätzlich weiter bestehen wird, wenn sich auch die Zahl der Interessenten für das einzelne Objekt reduziert. Die Preise dürften stagnieren und fallweise auf (zu) hohem Niveau sogar leicht rückläufig sein. Dabei ist zu beachten, dass selbst ein zum Vorjahr unveränderter Preis unter Berücksichtigung der Inflation de facto, sprich in realer Nominierung, einem Preisrückgang von aktuell 3 Prozent entspricht. Einen nominalen Preisrückgang auf breiter Front sehe ich hingegen nicht – dazu bräuchte es weitere kräftige Zinsanstiege, im schlimmsten Fall verbunden mit einer starken Rezession. Ein solches Szenario ist nicht gänzlich auszuschliessen, doch aus heutiger Sicht zum Glück doch eher unwahrscheinlich.
Bei der Eigenheimfrage darf jedoch nicht vergessen werden, dass der Wunsch nach den eigenen vier Wänden weit verbreitet ist und dementsprechend oft mehr emotional anstatt rein ökonomisch rational angegangen wird. Dies stützt die Nachfrage grundsätzlich. Die Qualität des einzelnen Objektes in Bezug auf Lage, Grundriss und Ausbau dürfte aber noch mehr in den Fokus rücken und entscheidend dafür sein, ob das einzelne Verkaufsobjekt auf Interesse stösst.
Good News für Sparfüchse
Kleinsparer dürften sich hingegen über die Leitzinserhöhung freuen. Mit dem Zinsentscheid wird der Druck auf die Sparzinsen weiter zunehmen und wohl auch die hinterste und letzte Bank dazu bringen, vom Negativ- oder Nullzinsregime abzukommen. Allerdings machen auch 0,5 Prozent Sparzinsen angesichts einer Inflation von 3 Prozent bzw. 2,4 Prozent gemäss der Prognose der SNB für 2023 nicht wirklich Freude – weder auf dem Sparbuch noch in der Pensionskasse.
Deshalb ist es wohl doch besser, in Wohneigentum zu investieren, und zwar in selbstgenutztes. Denn «buy to let» ist bei einer Vollkostenrechnung und im Vergleich zu anderen Anlagemöglichkeiten wohl kaum mehr attraktiv. Ausnahmen bestätigen selbstverständlich auch hier die Regel.