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Machen steigende Zinsen das Eigenheim noch unerschwinglicher? by Philipp Schelbert

Immobilien, insbesondere Eigenheime, sind wieder einmal in aller Munde und mit abflauendem «Corona-Hype» wieder vermehrt in den Medien. Aktuell drehen sich die Berichte um Eigenheimpreise, Boom bzw. Ende des Booms und vor dem Hintergrund der in vielen Ländern aufflackernden Inflation nun vermehrt auch um steigende Zinsen. Dies war auch der Aufhänger des «10vor10»-Beitrages vom 8.2.2022. Ein Kommentar.

Der Beitrag Hypothekarzinsen in der Schweiz steigen war meines Erachtens etwas reisserisch-tendenziös aufgemacht und enthielt zudem teilweise irreführende Aussagen. Deshalb nachfolgend meine Ergänzungen / Erläuterungen:

Die Zinsen sind leicht angestiegen, sind aber nach wie vor auf einem historischen Tiefstand. Dabei sind die Zinsen vor allem am langen Ende der Zinskurve gestiegen; d.h. die langfristigen Zinsen / Zinsen für lange Laufzeiten sind gestiegen. Am kurzen Ende hingegen sind noch kaum Bewegungen zu verzeichnen. Diese Entwicklung ist jedoch schon seit längerem im Gang und es ist völlig klar, dass bei Anzeichen von steigender Inflation die Zinsen am langen Ende steigen.

Die im «10vor10»-Beitrag erwähnten Zinsen sind Richtsätze und noch nicht verhandelt. Je nach Situation (Objekt und Kreditnehmer) sind die tatsächlichen Hypozinsen massiv tiefer; so publiziert beispielsweise das Vergleichsportal «moneypark» einen Richtzins für eine 10-jährige Festhypothek von 1,13 % - im Vergleich zu den im Beitrag erwähnten 1,8 % mit Bezug Raiffeisen.

Die attraktivsten Angebote kommen aktuell jedoch nicht von den Banken, sondern von Pensionskassen und Versicherungen, die immer stärker in den Finanzierungsmarkt drängen (bei jedoch insgesamt noch immer geringem Marktanteil von unter 10 %).

Rechenbeispiel Tragbarkeit

Massgebend sind für die allermeisten Eigenheimkäufer jedoch nicht die tatsächlichen Hypozinsen, sondern vielmehr die Tragbarkeitsregel der Banken.

Üblicherweise wird die Tragbarkeit wie folgt berechnet (Beispiel: Kaufpreis 1'200'000):

  • Eigenkapital 20 % (davon mindestens 10 % «hard equity» / Cash; weitere 10 % können durch einen Vorbezug oder aber eine Verpfändung von Vorsorgegeldern (2. und / oder 3. Säule) erbracht werden; bei einer Verpfändung steigt dann die Hypothek entsprechend auf bis zu 90 %) -> 240'000 Eigenkapital
  • Fremdfinanzierung 80 %, davon oft ein Teil als 2. Hypothek (gem. Richtlinien der FINMA ist die 1. Hypothek auf 2/3 des Marktwertes (bzw. i.d.R. Kaufpreises) begrenzt) -> 960'000 Hypothek, davon 800'000 als 1. Hypothek und 160'000 als 2. Hypothek
  • Kalkulatorischer Zins von 5 % für die gesamte Hypothek -> 5 % x 960'000 = 48'000 p.a.
  • Amortisation der 2. Hypothek über 15 Jahre -> 160'000 / 15 Jahre = 10'667 p.a.
  • Nebenkosten und Unterhalt: 1 % des Kaufpreises -> 12'000 p.a.
  • Die Summe aus kalkulatorischen Zinsen, Amortisation sowie Nebenkosten und Unterhalt darf dabei 1/3 des Einkommens nicht übersteigen (oder andersrum: das Einkommen muss mindestens 3 x dieser Summe entsprechen) -> kalkulatorische Belastung = 48'000 + 10'667 + 12'000 = 70'667 p.a. -> erforderliches Einkommen von mindestens 3 x 70'667 = 212'000 p.a.

So weit die Theorie - in der Praxis wird bisweilen davon abgewichen (z.B. kalkulatorischer Zins von 4,5 %; geringere oder gar keine 2. Hypothek etc.). Und so gibt es dann auch nach Bonität / Situation des Kreditnehmers oder des zu finanzierenden Objektes beträchtliche Unterschiede bei der Tragbarkeitsprüfung unterschiedlicher Finanzierungsinstitute – wer suchet, der findet manchmal. Dass auch beim Begriff Einkommen ein gewisser Spielraum besteht (mit oder ohne Bohni etc.) und auch ausgenutzt wird, macht das Ganze zwar noch unübersichtlicher, sei hier aber als Hinweis trotzdem erwähnt.

Die im «10vor10»-Beitrag errechnete monatliche Mehrbelastung ist eine Bruttobetrachtung; Netto ist die Zusatzbelastung infolge steigender Hypothekarzinsen wegen der steuerlichen Abzugsmöglichkeit von Hypozinsen tatsächlich geringer (je nach steuerlicher Situation fällt die Zusatzbelastung 20 % bis 35 % tiefer aus).

Auch wenn wie im Beispiel «10vor10» die monatliche Belastung infolge Zinsen leicht angestiegen ist, ist die Eigentumswohnung noch immer massiv günstiger als eine vergleichbare Mietwohnung (siehe auch untenstehend) – einer der Hauptgründe für die grosse Nachfrage nach Wohneigentum.

Im «10vor10»-Beitrag wird erwähnt, dass die Amortisierung noch nicht eingerechnet sei. Diese Aussage ist irreführend. Denn man muss sich bewusst sein, dass Amortisationszahlungen keine Kosten im eigentlichen Sinn sind, sondern Eigenkapitalbildung darstellen – man könnte dies auch als Zwangssparen bezeichnen; auf jeden Fall sind dies keine Wohnkosten, sondern dienen eben der Vermögensbildung (man muss aber amortisieren oder eben zwangssparen und kann dieses Geld nicht anderweitig ausgeben).

Wie auch das obige Beispiel klar aufzeigt, ist jedoch in den allermeisten Fällen nicht die tatsächliche Hypothekarzinsbelastung (von 17'280 p.a. bei 1,8 % Zins; Annahme gleicher Zins für 1. und 2. Hypothek) massgebend, sondern vielmehr die erwähnte Tragbarkeitsberechnung, die ein Einkommen von über 212'000 p.a. bedingt und damit viele Wohninteressenten von der Teilnahme am Eigentumsmarkt ausschliesst (mit mehr Eigenkapital liesse sich die kalkulatorische Belastung natürlich reduzieren, doch gerade für viele junge Personen stellen schon die 20 % eine hohe Hürde dar).

Mit einem starken Zinsanstieg ist nicht zu rechnen

Betreffend Hypothekarzinsen gilt es festzuhalten, dass die meisten massgebenden Ökonomen in der Schweiz in diesem Jahr nicht mit einem Zinsanstieg rechnen. Und auch danach geht man aus heutiger Sicht erst von einem zaghaften Anstieg der Zinsen aus (das Zielband für den SNB-Leitzins ist noch immer bei -0,75 % - und nur schon ein Zielband von 0 % wäre mit einem beträchtlichen Zinsanstieg verbunden). Dabei überwiegt noch immer die Meinung, dass die SNB nur schwer die Zinsen anheben kann, bevor dies die EZB tun wird, da ansonsten ein massiver Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken entstehen würde. Und eine Zinserhöhung im Euroraum dürfte dann die Themen Griechenland, Italien, Portugal etc. wieder aufs Tapet bringen. Allerdings gibt es aber auch Stimmen, die der Meinung sind, dass hier allenfalls doch die Inflation den Fahrplan bestimmen könnte, insbesondere wenn sich diese doch als nachhaltiger erweisen sollte und Lohn-Preis-Spiralen in Gang setzt – mit dann aber wohl ein paar unschönen Nebeneffekten, auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte; es bleibt aber auf jeden Fall spannend.

Rechenbeispiel auf Basis des im «10vor10»-Beitrag geschilderten Falls:

Kauf einer Wohnung von 120 m2 für 1,2 Mio. (Annahme 120 m2 und entsprechend 10'000 CHF/m2; der Durchschnittspreis für Eigentumswohnungen liegt bei rund 7000 CHF/m2)

  • Hypothekarzinsen: 1,8 % x 960'000 = 17'280 p.a.
  • Nebenkosten und Unterhalt: 1 % x 1'200'000 = 12'000 p.a.
  • Total Wohnkosten: 29'280 p.a. bzw. 2440 pro Monat
  • Miete einer Wohnung von 120 m2 mit einer Miete von 250 CHF/m2; der durchschnittliche Mietzins in der Schweiz beträgt rund 200 CHF/m2 – wobei hier der Altbestand massgeblich)
  • Miete: 120 m2 x 250 CHF/m2 = 30'000 p.a.
  • Nebenkosten: 120 m2 x 25 CHF/m2 = 3000 p.a.
  • Total Wohnkosten: 33'000 p.a. bzw. 2750 pro Monat

Fazit

  • Eigentum ist im Vergleich zur Miete noch immer attraktiv, bisweilen sogar sehr attraktiv
  • Dabei ist zu berücksichtigen, dass die 1,8 % Zinskosten sehr konservativ sind wie auch die 1 % für NK und Unterhalt – insbesondere bei Neubauten fallen in den ersten Jahren kaum Unterhaltsaufwendungen in dieser Höhe an. Realistischerweise dürften aktuell die tatsächlichen Kosten beim Kauf dieser Wohnung eher im Bereich von 20'000 – 25'000 p.a. sein – und damit doch sehr deutlich unter vergleichbaren Mietkosten (die mit 250 CHF/m2 eher tief angesetzt sind)
  • Wie bereits erwähnt, sind Amortisationszahlungen keine Kosten, sondern dienen der Eigenkapitalbildung. Man muss dabei nicht zwingend die Hypothek direkt amortisieren, sondern kann dies auch indirekt über die 3. Säule bewerkstelligen – was insbesondere auch aus steuerlicher Sicht zu empfehlen ist
  • Ein Käufer eines Eigenheims trägt natürlich das Wertänderungsrisiko. Solange man aber nicht verkaufen will oder muss (Wegzug, Scheidung etc.), ist eine mögliche Wertabnahme von untergeordneter Bedeutung (die grosse Frage ist meines Erachtens, wie der Regulator reagieren wird, wenn es tatsächlich in der Zukunft zu einem starken Rückgang der Immobilienpreise kommen sollte. Denn bei einem Preisrückgang nimmt auch der Wert von den bestehenden Immobilien ab, und das bedeutet wiederum, dass der Fremdkapitalanteil relativ gesehen steigt – unter Umständen auf 100 % oder noch mehr. Solange die Banken zufrieden sind, wenn die Schuldner weiterhin ihre Hypozinsen bezahlen, wird nicht viel passieren. Werden die Banken jedoch auf Druck des Regulators gezwungen, die Belehnungsgrenze von max. 80 % Fremdkapital wieder herzustellen, muss entsprechend zusätzliches Eigenkapital eingebracht werden – und wenn das nicht möglich ist, folgt im schlimmsten Fall eine Zwangsverwertung. Aus heutiger Sicht ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dies im grossen Umfang passieren dürfte, würde dadurch doch ein massiver volkswirtschaftlicher Schaden angerichtet werden mit entsprechenden Verlusten für Banken und Private).
  • «on the long run» dürften wohl auch über die nächsten Dekaden die Preise für Immobilien tendenziell weiter steigen – wenn auch temporäre Einbrüche möglich sind (siehe 1990er Jahre) – oder zumindest mit der Inflation Schritt halten
  • Das tatsächliche Problem sind nicht die leicht steigenden Zinsen, sondern vielmehr das beschränkte Angebot, die hohen Preise und insbesondere die Tragbarkeitsregel mit einem kalkulatorischen Zinssatz von 5 % – bei der Möglichkeit sich über 10 Jahre für 1,5 % abzusichern und in diesem Zeitraum weiter Eigenkapital zu bilden …

Für Fragen und Diskussionen bin ich selbstverständlich offen.

Philipp Schelbert

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